Pokerstars OGH Urteil rund 1.4 Mio. Euro
[Bereitgestellt: 19.05.2022 09:10]
REPUBLIK ÖSTERREICH Oberlandesgericht Wien |
13 R 85/22y |
Im Namen der Republik
(Teilurteil)
Das Oberlandesgericht Wien hat als Berufungsgericht durch die Senatspräsidentin Dr. Bibulowicz als Vorsit- zende sowie Mag. Häckel und Dr. Reden in der Rechtssache der klagenden Partei nnnnnnnnnnn, nnnnnnnnnnnn, vertreten durch Dr. Oliver Peschel, Rechts- anwalt in Wien, wider die beklagte Partei TSG Interactive Gaming Europe Ltd, SPK 1000 Malta, Spinola Park, Level 2, Triq Mikiel Ang Borg, St Julian´s, vertreten durch Brandl Talos Rechtsanwälte GmbH in Wien, wegen EUR 1,637.926,70 sA, infolge Berufung der beklagten Par- tei (Berufungsinteresse: EUR 1,457.875,55 sA) gegen das Urteil des Landesgerichtes Eisenstadt vom 11.3.2022,
2 Cg 69/21p-21, in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:
Der Berufung wird nicht Folge gegeben.
Die beklagte Partei ist schuldig, der klagenden Par- tei die mit EUR 6.329,76 bestimmten Kosten der Berufungs- beantwortung (darin enthalten EUR 1.054,97 USt) binnen
14 Tagen zu ersetzen.
Die ordentliche Revision ist nicht zulässig.
E n t s c h e i d u n g s g r ü n d e :
Die beklagte Partei hat ihren Sitz in Malta, sie veranstaltet Internet-Glücksspiel, ohne über eine Konzes-
sion nach dem österreichischen Glücksspielgesetz [in Hin- kunft: GlücksspielG] zu verfügen.
Der Kläger spielte vom 29.5.2005 bis 27.12.2020 über die Homepage „www.pokerstars.eu“ Pokerspiele und im geringen Ausmaß andere Glücksspiele. Er verspielte dabei EUR 42.745,– + USD 1,697.449,10, wovon EUR 293,– nicht
mit Pokerspielen verloren wurden.
Die AGBen der beklagten Partei lauten, so weit hier von Interesse:
„10.6. Um auf den Websites Wetten zu platzieren oder an Echtgeldspielen teilnehmen zu können, muss ein Nutzer Spielerguthaben bei TSG … einzahlen. TSG verwaltet diese Guthaben exklusiv in ihrem Namen und ermöglicht ihnen die Teilnahme an Echtgeldpoker- und Casinospielen von TSG oder Echtgeld-Sportwetten von Cyan Blue Interna- tional Ltd („CPIL“). „Spielerguthaben“ bezeichnet das Geld des Nutzers und den Geldwert, der von TSG, im Rahmen dieser Vereinbarung zwischen TSG, CPIL und dem Nutzer für die Bereitstellung von Echtgeldspielen über die Websites verwaltet wird, und umfasst unter anderem Guthaben, das der Nutzer sich auszahlen kann, und Guthaben, das von dem Nutzer für Echtgeldspiel eingesetzt wurde, bis zur Fest- stellung des Ausgangs dieser Echtgeldspiele. Das gesamte Spielerguthaben wird von TSG auf einem Konto verwaltet, das von oder für im Namen von TSG bei einem lizenzierten Kredit-, Finanz- und/oder Zahlungsinstitut geführt wird, in dem Spielerguthaben und gegebenenfalls Preisgelder verwaltet werden („Spielerguthabenkonto“).
…
10.14. Für den Fall, dass Ihr Stars-Konto „aktiv“ ist, … erkennen Sie an, dass die Gelder, die Sie auf ihr Stars-Konto eingezahlt haben, in einem Treuhandkonto
in Ihrem Namen verwaltet werden und als „Endnutzereinzah- lungen“ betrachtet werden. Für den Fall, dass Ihr Stars-Konto „inaktiv“ ist, … sind die Gelder, die Sie auf Ihr Stars-Konto eingezahlt haben, keine „Endnutze- reinzahlungen“ mehr und werden nicht länger treuhände- risch verwaltet. Jedoch stehen Sie Ihnen umgehend zur Auszahlung oder zur Nutzung der Dienstleistung gemäß den Bedingungen dieser Vereinbarung zur Verfügung, sobald Sie sich in Ihr Stars-Konto einloggen, und werden automatisch wieder als „Endnutzereinzahlungen“ eingestuft. Wenn für Ihr Stars-Konto über einen Zeitraum von 30 Monaten keine Transaktionen registriert werden, gilt Ihr Stars-Konto gemäß den Bestimmungen der „Remote Gaming Regulations“ unter den Gesetzen Maltas ferner als „ruhend“ und es wird das dementsprechende Vorgehen, wie gesetzlich vorge- schrieben, darauf angewandt.
…
18.3. Nichts in dieser Vereinbarung begründet eine Anstellung, Partnerschaft, Vertretung, Verwahrungsverein- barung, Treuhänderschaft oder ein Gemeinschaftsunterneh- men zwischen Ihnen und uns.“
Der Kläger ist Verbraucher.
Der Kläger begehrt ua die Rückzahlung des verlorenen Betrages, so weit für das Verständnis der Berufungsent- scheidung von Bedeutung, mit dem Vorbringen, die von der beklagten Partei veranstalteten Glücksspiele widersprä- chen dem österreichischen Glücksspielmonopol. Was auf- grund eines unerlaubten und damit unwirksamen Glücks- spielvertrages geleistet werde, sei auch im Falle der Veranstaltung von Pokerspielen rückforderbar.
Die beklagte Partei wendet, so weit für das Ver- ständnis der Berufungsentscheidung von Bedeutung, ein,
das österreichische GlücksspielG sei unionsrechtswidrig. Sie habe eine gültige Glücksspiellizenz eines EU-Mit- gliedsstaates. Wegen Verstoßes gegen die Dienstleistungs- freiheit gemäß Art 56 EUAV sei der zwischen den Streit- teilen geschlossene Vertrag wirksam und die vom Kläger verlorenen Beträge nicht rückforderbar.
Die Glücksspielverträge seien nicht zwischen den Streitteilen geschlossen, sondern zwischen dem Kläger und den mitspielenden Pokerspielern, die beklagte Partei sei jedoch nur Treuhänderin der eingezahlten Beträge.
Hilfsweise treffe den Kläger ein Mitverschulden.
Die beklagte Partei wende einen Schadenersatzan- spruch bis zur Höhe der Klagsforderung compensando ein.
Ebenso werde der Klagsforderung eine Gegenforderung in der Höhe des vom Kläger konsumierten Unterhaltungswer- tes entgegengehalten.
Der Kläger sei nicht als Verbraucher einzustufen, weil er professioneller Pokerspieler sei.
Mit dem angefochtenen Urteil entschied das Erstge- richt, dass
- die Unzuständigkeitseinrede verworfen werde,
- die Klagsforderung zur Gänze zu Recht bestehe,
- die Gegenforderungen zurückgewiesen werden,
- die beklagte Partei schuldig sei, dem Kläger EUR 1,457.875,55 zu bezahlen,
- die Entscheidung über die Kosten des Verfahrens gemäß § 52 Abs 4 ZPO der Endentscheidung vorbehalten
Es würdigte den eingangs wiedergegebenen Sachver- halt, der mit Ausnahme der kursiv wiedergegebenen Fest- stellung im Berufungsverfahren unstrittig ist, dahin- gehend, dass die beklagte Partei ihre Geschäftstätigkeit
auch auf Österreich ausrichte und der Kläger als Verbrau- cher auf der Homepage der beklagten Partei gespielt habe. Es bestehe daher die internationale Zuständigkeit der österreichischen Gerichtsbarkeit gemäß Art 17 Abs 1 lit c EuGVVO.
In der Rechtssache C- 774/19 habe sich der EuGH mit der Verbrauchereigenschaft im Zusammenhang mit Online-Pokerspielen auseinandergesetzt. Demnach bleibe die Eigenschaft als „Verbraucher“ iSd Art 15 Abs 1 EuGVVO 2001 (nunmehr Art 17 Abs 1 EuGVVO 2012) auch auf- recht, wenn eine natürliche Person mit Wohnsitz in einem Mitgliedsstaat mit einer Gesellschaft in einem anderen Mitgliedsstaat einen Vertrag zu deren AGB geschlossen habe, um Online-Poker zu spielen und diese Tätigkeiten weder amtlich angemeldet, noch Dritten als kostenpflich- tige Dienstleistung angeboten habe. Die Verbrauchereigen- schaft bleibe selbst dann aufrecht, wenn sie täglich viele Stunden an diesem Spiel teilnehme und dabei erheb- liche Gewinne erziele, mit denen sie ihren Lebensunter- halt bestreiten könne.
Nach ständiger Rechtsprechung liege bei einem Sach- verhalt wie dem hier zu beurteilenden nur dann kein ver- botenes Glücksspiel vor, wenn die Konzessionsbestimmungen des österreichischen GlücksspielG infolge Unionsrechts- widrigkeit unanwendbar wären. Im Fall der Geltung ergebe sich die Rückforderbarkeit der Spieleinsätze zwangsläufig aus dem verbotenen – weil konzessionslosen – Glücksspiel, ohne dass auf die maltesische Normenlage einzugehen wäre. Dies entspreche der Rechtsprechung der österreichischen Höchstgerichte und des EuGH.
Die Beträge, die der Kläger auf das Konto der beklagten Partei eingezahlt habe, seien ausschließlich
zum Zweck einbezahlt worden, um an dem als Glücksspiel zu qualifizierenden Pokerspiel teilnehmen zu können. Sämtli- che Zahlungen an die beklagte Partei seien daher auf Grundlage eines unerlaubten und damit unwirksamen Glücks- spielvertrages bezahlt worden, sodass diese Beträge rück- forderbar seien.
Die Gegenforderungen seien nicht beziffert worden und überdies nicht berechtigt, weil sie dem Normzweck des GlücksspielG widersprechen würden.
Auch der Einwand rechtmäßigen Alternativverhaltens sei unbegründet, weil der Anspruch bereicherungsrechtli- cher Natur sei. Dies gelte auch für den Einwand des Mit- verschuldens.
Da die Höhe des vom Kläger verspielten Betrages inhaltlich nicht bestritten worden sei, sei dem Klagebe- gehren im zugesprochenen Teilbetrag zur Gänze stattzuge- ben gewesen.
Gegen dieses Urteil richtet sich die Berufung der beklagten Partei aus den Berufungsgründen der
- Mangelhaftigkeit des Verfahrens,
- unrichtigen Tatsachenfeststellung aufgrund unrichtiger Beweiswürdigung,
- unrichtigen rechtlichen Beurteilung,
mit dem Antrag, das angefochtene Urteil mangels Vor- liegens der internationalen Zuständigkeit österreichi- scher Gerichte aufzuheben und die Klage mittels Beschluss zurückzuweisen; hilfsweise das angefochtene Urteil im klagsabweisenden Sinn abzuändern; hilfsweise im Umfang des Teilbetrages von EUR 88.156,94 im klagsabweisenden Sinn abzuändern; hilfsweise das angefochtene Urteil auf- zuheben und die Rechtssache zur neuerlichen Entscheidung an das Gericht erster Instanz zurückzuverweisen.
Der Kläger beantragt, der Berufung nicht Folge zu geben.
Die Berufung ist nicht berechtigt.
Vorangestellt sei, dass es sich beim hier angefoch- tenen Urteil um ein Teilurteil handelt, mit dem nur über EUR 1,457.875,55 am Konto „Pokerstars“ [im Leistungsbe- fehl ohne Zinsen] abgesprochen wurde. Über die Verluste des Klägers auf der Website der beklagten Partei www.fulltilt.com mit dem Spielerkonto nnnnnnn sollte nicht abgesprochen werden, weshalb das angefochtene Urteil dahingehend zu verstehen ist, dass die Entschei- dung über EUR 180.051,29 sA vorbehalten bleibt [vgl ON 9 S 10]. Dementsprechend besteht auch die Klags- forderung nur in der Höhe des Teilbetrages, über den das Erstgericht entscheiden wollte, zu Recht.
Das vorliegende Verfahren reiht sich in eine ganze Serie von Prozessen ein, in denen österreichische Spiele- rinnen und Spieler von diversen im EU-Ausland ansässigen und dort konzessionierten Glücksspielunternehmen, die auch in Österreich tätig sind, jedoch über keine Konzes- sion nach dem GSpG verfügen, ihre Spielverluste zurück- fordern.
Aus den im Rechtsinformationssystem des Bundes ver- öffentlichten höchstgerichtlichen Entscheidungen und aus zahlreichen Akten des Berufungsgerichtes ist bekannt, dass an vielen dieser Verfahren die auch im vorliegenden Fall einschreitenden Parteienvertreter beteiligt sind. Infolge dessen wurden und werden zur Frage der Unions- rechtswidrigkeit des GSpG immer wieder – so auch im vor- liegenden Fall – die selben Argumente sowohl tatsächli- cher als auch rechtlicher Natur vorgebracht. Dies hat dazu geführt, dass sich zu all diesen Fragen über mehrere
Jahre bis in die jüngste Zeit eine ständige und gesi- cherte Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofes heraus- gebildet hat, die auch im Einklang mit der Judikatur des Verwaltungs- und des Verfassungsgerichtshofes steht.
Der EuGH hat seinerseits in der Rechtssache „Fluctus & Fluentum“ (C-920/19) mit Urteil vom 18.5.2021 seine bisherige Rechtsprechung bestätigt, wonach es den natio- nalen Gerichten überlassen bleibt, anhand der von ihm aufgestellten und neuerlich bekräftigten Kriterien die unionsrechtliche Zulässigkeit eines Glücksspielmonopols zu beurteilen. Entgegen der Ansicht der beklagten Partei ist deshalb die erwähnte ständige Judikatur des Obersten Gerichtshofs auch und gerade nach der Rechtsprechung des EuGH maßgeblich und die neuerliche Einholung einer Vorab- entscheidung überflüssig. Das Berufungsgericht kommt daher der Anregung der beklagten Partei, ein Vorabent- scheidungsverfahren in Erwägung zu ziehen, nicht nach.
Das Erstgericht hat die Grundsätze der ständigen und einhelligen Judikatur zutreffend wiedergegeben und ange- wandt. Der EuGH verlangt keineswegs, dass in jedem ein- zelnen Fall alle bereits vielfach beurteilten Auswirkun- gen des Monopols erneut geprüft werden müssen. Neue, vom Obersten Gerichtshof nicht schon behandelte Aspekte oder relevante Änderungen des Sachverhalts seit den letzten oberstgerichtlichen Entscheidungen hat die beklagte Par- tei nicht eingebracht.
Das Berufungsgericht sieht sich deshalb nicht veran- lasst, ein weiteres Mal alle in der Berufung vorgebrach- ten, von der Judikatur widerlegten Argumente in Ansehung der EU-Rechtskonformität des Österreichischen Glücks- spielmonopols im Einzelnen zu entkräften. Vielmehr begnügt es sich gemäß § 500a ZPO unter Hinweis auf die
Richtigkeit der erstinstanzlichen Entscheidungsgründe mit einer kurzen Begründung:
- Die Mängelrüge geht ins Leere, weil die vermiss- ten Beweisaufnahmen zum Beweis von Umständen beantragt wurden, über die das Erstgericht gar keine Feststellungen getroffen hat. Somit werden inhaltlich keine Verfahrens- mängel, sondern der Rechtsrüge zuzuordnende Feststel- lungsmängel geltend gemacht.
- Solche Feststellungsmängel im Sinne des 496 Abs 1 Z 3 ZPO liegen aber nicht vor. Die Rechtsmeinung von zwei Beamten des Bundesministeriums für Finanzen [MR Alfred Hacker; Kurt Parzer] über die Inkohärenz der der- zeitigen Glücksspielregelung spielt für die gerichtliche Entscheidung keine Rolle. Die im Vorbringen der Beklagten näher beschriebenen Werbemaßnahmen der österreichischen Glücksspielkonzessionäre sind einerseits gerichtsbekannt und verhindern andererseits nach ständiger Rechtsprechung nicht, dass das im GSpG normierte Monopol- bzw. Konzessi- onssystem bei gesamthafter Würdigung sämtlicher damit verbundener Auswirkungen auf dem Glücksspielmarkt allen vom EuGH aufgezeigten Vorgaben des Unionsrechts ent- spricht (RIS-Justiz RS0130636 [T7]). Die Einholung von Sachverständigengutachten [Medienwesen und Werbepsycho- logie; Glückspiel] war daher ebensowenig notwendig wie die Vernehmung des Zeugen Kevin O‘Neil.
- Zur Frage der passiven Klagslegitimation, somit zur Frage, wer Bereicherungsschuldner bei einem Online-Pokerspiel ist, hat der Oberste Gerichtshof jüngst [2.2.2022] in einem Parallelverfahren, bei dem die beklagte Partei und die Beklagtenvertreter identisch zum hiesigen Verfahren waren, Stellung genommen (6 Ob 229/21a).
Abgesehen davon, dass diese Entscheidung, von der abzugehen kein Grund besteht, der beklagten Partei und den Beklagtenvertretern bekannt ist, seien die wesentli- chen Argumente dieser Entscheidung zur beklagten Partei als Bereicherungsschuldnerin wiederholt:
Nach den §§ 2 Abs 1 und 4 Abs 1 GSpG ist bereits das konzessionslose Veranstalten, Organisieren, Anbieten oder Zugänglichmachen von Glücksspielen durch einen Unterneh- mer verboten; dies auch dann, wenn er selbst am Spiel nicht teilnimmt und Gewinne stellt, sondern nur auf sons- tige Weise an der Durchführung des Spiels mitwirkt. Das wurde durch die Neufassung der Legaldefinition der „Aus- spielung“ im § 2 GSpG im Rahmen der GSpG-Novelle 2008 [BGBl I 54/2010] verdeutlicht. Die Erläuterungen zur Regierungsvorlage führen dazu aus: „Die Veranstaltung/ Organisation/das Angebot kann sich beispielsweise durch Mischen und Teilen der Karten, Festlegung von Spielre- geln, Entscheidung von Zweifelsfällen, Bewerbung der Mög- lichkeit zum Spiel, Bereitstellen von Spielort, Spielti- schen oder Spielpersonal äußeren“ [ErläutRV 658 BlgNR 24. GP 5]. Es kommt daher nicht darauf an, ob der Vertragsbe- ziehung zwischen den Streitteilen ein aleatorisches Ele- ment zugrundeliegt oder nur zwischen den Teilnehmern des Online-Pokerspiels Glücksspielverträge zustande gekommen sind.
Es besteht somit kein Zweifel, dass der zwischen den Streitteilen geschlossene Vertrag, mit dem dem Kläger die Teilnahme an Online-Pokerspielen auf der Website der beklagten Partei ermöglicht wurde, nach § 879 Abs 1 ABGB nichtig ist. Die strafrechtliche Pönalisierung des Ver- haltens der beklagten Partei iSd § 168 StGB ist dafür nicht notwendig.
Die passive Klagslegitimation der beklagten Partei ist schon deshalb zu bejahen, weil die Einzahlung auf ihr
Konto aufgrund einer bewussten und zweckgerichteten Ver- mögensverschiebung zu Gunsten der beklagten Partei auf der Grundlage eines unwirksamen Vertrages erfolgte. Durch die wiederkehrenden Geldüberweisungen des Klägers wurde diese unmittelbar bereichert, unabhängig davon, dass es sich dabei jeweils noch nicht um die Leistung eines Spieleinsatzes im Rahmen eines unerlaubten Glücksvertra- ges gehandelt hat.
Ein Belassen dieser Zahlungen oder die Anwendung der
- § 1174 Abs 1, 1432 ABGB, auch wenn die Zahlung nicht geleistet wird, um das verbotene Spiel unmittelbar zu bewirken, sondern nur um am Spiel teilnehmen zu können, widerspräche dem Verbotszweck der §§ 2 Abs 1 und 4 Abs 1 GSpG.
- Die Rechtsfolgen der Nichtigkeit des Rechtsge- schäftes wegen Verbots- und Sittenwidrigkeit richten sich nach einer Analogie zu § 877 ABGB. Die Rückforderbarkeit der Leistung wird in diesem Fall nicht durch die Kenntnis des Leistenden [Klägers] von der Nichtschuld ausgeschlos- sen. Es kommt vielmehr auf den Verbotszweck an: Erfordert dieser eine Rückabwicklung, etwa weil das Verbot den Schutz einer Partei bezweckt oder sich gegen den Leis- tungsaustausch an sich wendet, sind ausgetauschte Leis- tungen [in Abweichung zu den §§ 1431 ff ABGB] auch bei Kenntnis von der ungültigen Verpflichtung zurückzustellen (abermals 6 Ob 229/21a). Im Hinblick auf die Zielsetzung des Glücksspielgesetzes ist offenkundig, dass der Gesetz- geber den Schutz der Spieler bezweckt.
Nach § 877 ABGB ist der erlangte Vorteil, also das, was in jemandes unbeschränkte Verwendungsmöglichkeit gelangt ist, herauszugeben, gleichgültig, ob davon in der Folge ein nützlicher oder allenfalls Verlust bringender Gebrauch gemacht wurde und ob davon ein Nutzen – sei es
iS eines Unterhaltswertes – noch vorhanden ist oder nicht.
- Da der Kläger schon aus dem Rechtsgrund der Bereicherung Anspruch auf Rückerstattung seiner Spielein- sätze hat, muss auf den Rechtsgrund des Schadenersatzes nicht näher eingegangen werden. Festzuhalten ist aber, dass der erhobene Einwand des „rechtmäßigen Alternativ- verhaltens“ von falschen Voraussetzungen ausgeht: Wenn die beklagte Partei im relevanten Zeitraum keine inländi- sche Konzession hatte und auch nicht nachgewiesen hat, dass sie die Voraussetzungen für die Erteilung einer sol- chen erfüllt hätte, dann konnte ihr rechtmäßiges Alterna- tivverhalten nur darin bestehen, sich vom österreichi- schen Glücksspielmarkt fernzuhalten. Dass der Kläger diesfalls den gleichen Betrag beim Poker-Spiel eines anderen Anbieters verloren hätte – wie die beklagte Par- tei meint -, steht zum einen nicht fest und hat zum ande- ren nichts mit der Bereicherung der beklagten Partei zu
- Soweit die beklagte Partei in der Berufung meint, das Erstgericht hätte die Beträge, die auf den Zeitraum 29.5.2005 bis Dezember 2010 entfallen [Berufungsinter- esse: EUR 88.156,94], abweisen müssen, sei sie abermals auf die Entscheidung des Obersten Gerichtshofes 6 Ob 229/21a Der Oberste Gerichtshof begründete in dieser Entscheidung ausführlich, warum die Änderung der Rechtslage in Ansehung des „Sitzerfordernisses“ im Inland als Voraussetzung für den Erhalt einer Konzession durch die Notwendigkeit des Erfordernisses eines Sitzes in einem Mitgliedstaat der EU oder des EWR (Art 80 Budgetbe- gleitgesetz 2011, BGBl I Nr 111/2010) für das Erfordernis der Erteilung einer Konzession zur Durchführung von Glücksspielen nichts geändert hat.
Einer Wiederholung der ausführlichen Argumentation des OGH in der genannten Entscheidung wäre redundant und hat daher zu unterbleiben.
- Soweit die Berufung auf die Abgeltung des Unter- haltungswertes des vom Kläger konsumierten Glücksspiels [eingeräumte Gewinnchance] zurückkommt, ist ihr die zutreffende rechtliche Beurteilung im angefochtenen Urteil entgegenzuhalten. Verbotenes Glücksspiel hat kei- nen abgeltbaren Unterhaltungswert, weil es andernfalls über den Umweg der Bereicherung doch zu einer Entgelt- lichkeit und damit einer Quasi-Geltung des nichtigen Ver- trages kommen würde; und außerdem ein allenfalls verblei- bender Nutzen am Bereicherungsanspruch nichts ändert [s 4.].
- Ebenso geht der [wohl] Mitverschuldenseinwand wegen der Verletzung der Nachforschungspflicht ins Leere. Die beklagte Partei beruft sich dazu auf einen Verwal- tungsstraftatbestand (§ 52 Abs 5 GSpG), der den Spieler- schutz, nicht aber den Schutz des Glücksspielanbieters bezweckt, und daher keinen Schadenersatzanspruch der beklagten Partei gegenüber dem Kläger begründen kann. Außerdem ist dem Kläger kein Mitverschulden anzulas- ten, beruft sich die beklagte Partei doch selbst darauf, Glücksspiel erlaubterweise anzubieten und damit auf die Rechtmäßigkeit ihres Glücksspielangebotes.
- Auf die Tatsachenrüge, die sich gegen die kursiv wiedergegebene Feststellung richtet, war mangels Relevanz nicht einzugehen.Ob der Kläger Verbraucher im Sinne des KSchG ist, ist einer Tatsachenfeststellung nicht zugänglich, sondern setzt Tatsachenfeststellungen, die dann rechtlich beur- teilt werden, voraus. Das Erstgericht hat im angefochte- nen Urteil aber ohnedies im Rahmen der rechtlichen Beur- teilung die Verbrauchereigenschaft des Klägers unter Hinweis auf die Entscheidung des EuGH C- 774/19 rechtlich begründet. Allein aus den Umständen, dass der Kläger ein grundsätzlich als Glücksspiel zu wertendes Spiel häufig und lang spielt, folgt nicht, dass er damit seine Ver- brauchereigenschaft verliert; dies würde im Ergebnis dazu führen, dass wegen des jedem Glücksspiel anhaftenden Risikos des Spielverlustes bei häufigem und langem Spie- len und hohen Verlusten daher Spieler nicht mehr als Ver- braucher zu qualifizieren wären; letztlich, wer wenig spielt und geringe Verluste erleidet, wäre demnach Ver- braucher, wer viel spielt und daher hohe Verluste erlei- det, Unternehmer. Das angerufene Gericht war daher zuständig.
- Zusammenfassend hat der Oberste Gerichtshof in seinen jüngsten Entscheidungen (3 Ob 72/21s vom
20.5.2021, | 5 Ob 30/21d vom 7.6.2021, | 1 Ob 229/20p vom |
22.6.2021, | 9 Ob 20/21p vom 24.6.2021) | mit ausführlicher |
Begründung an seiner bisherigen Rechtsprechung festgehal- ten und ausgesprochen, dass die Frage der Unionsrechts- konformität des österreichischen Glücksspielmonopols aus seiner Sicht abschließend beantwortet ist (1 Ob 229/20p). Vereinzelte abweichende Entscheidungen von untergeordne- ten Verwaltungs- oder Zivilgerichten [LVwGOÖ] oder Lehr- meinungen [Prof. Kletečka] vermögen daran nichts zu ändern. Dies mag der beklagten Partei missfallen, ist aber schon aus Gründen der Rechtssicherheit zu akzeptie- ren, zumal dem Obersten Gerichtshof eine Leitfunktion für die österreichische Rechtsprechung zukommt. Solange die- ser seine Rechtsprechung nicht ändert, sieht auch das Berufungsgericht keine Veranlassung, davon abzuweichen. Die ordentliche Revision war daher nicht zuzulassen.
Die Kostenentscheidung beruht auf den §§ 41, 50 ZPO.
Oberlandesgericht Wien 1011 Wien, Schmerlingplatz 11
Abt. 13, am 12. Mai 2022
Dr. Angela Bibulowicz
Elektronische Ausfertigung gemäß § 79 GOG