Platincasino OLG Urteil rund 82.000 €

[Bereitgestellt: 16.03.2022 08:28]

REPUBLIK ÖSTERREICH

Oberlandesgericht Wien

15 R 8/22i

Im Namen der Republik

Das Oberlandesgericht Wien hat als Berufungsgericht durch die Senatspräsidentin Dr. Jahn als Vorsitzende sowie den Richter Mag. Pöhlmann und die Richterin Dr. Miljevic-Petrikic in der Rechtssache des Klägers nnnnnnnnnnnn, 4662 Steyrermühl, Arbeiterheimstraße 30, vertreten durch Dr. Oliver Peschel, Rechtsanwalt in Wien, wider die Beklagte Red Rhino Ltd., Malta, M-MSD 1421 L Msida, Melfar Building 11, Triq C. De Brocktorff, vertre- ten durch Dr. Fabian Maschke, Rechtsanwalt in Wien, wegen EUR 82.780 sA, über die Berufung der Beklagten gegen das Urteil des Landesgerichtes für ZRS Wien vom 16.12.2021, 6 Cg 47/21g-18, in nicht öffentlicher Sitzung beschlossen und zu Recht erkannt:

  1. Der Antrag der beklagten Partei, das Berufungsge- richt möge ein Vorabentscheidungsersuchen beim Europäi- schen Gerichtshof einholen, wird zurückgewiesen.
  2. Der Berufung wird nicht Folge

Die Beklagte ist schuldig, dem Kläger binnen vier- zehn Tagen die mit EUR 3.225,42 (hierin enthalten USt EUR 537,57) bestimmten Kosten des Berufungsverfahrens zu ersetzen.

Die ordentliche Revision ist nicht zulässig.

E n t s c h e i d u n g s g r ü n d e :

Die beklagte Partei ist eine Gesellschaft (limited)

mit Sitz in Malta. Sie verfügt über keine Konzession nach dem österreichischen Glücksspielgesetz, jedoch über eine Konzession nach maltesischem Recht.

Die beklagte Partei bietet über die Webseite mit der Domain „www.platincasino.com“ die Möglichkeit, ua an Online-Glücksspielen teilzunehmen. Auf dieser Webseite kann als Sprache „DE“ ausgewählt werden; der Inhalt der Webseite erscheint dann in deutscher Sprache. Im Rahmen der Registrierung kann als Staatsangehörigkeit „Österrei- chisch“ und bei der Adresse „Österreich“ ausgewählt wer- den.

Der Support wird ebenfalls in deutscher Sprache zur Verfügung gestellt. Der in Österreich wohnhafte Kläger, ein Verbraucher, wurde etwa im Jahre 2019 aufgrund einer Internetsuche nach „Online-Casinos“ auf die Webseite der beklagten Partei aufmerksam und richtete in der Folge über die damals in deutscher Sprache abrufbare Webseite der beklagten Partei ein Spielerkonto ein.

Bei der Registrierung dieses (ersten) Spielerkontos gab der Kläger seinen richtigen Klarnamen und seine österreichische Wohnanschrift bekannt. Mit dem Anlegen des Spielerkontos registrierte er sich bei der beklagten Partei als Kunde. Dabei erklärte der Kläger mit den All- gemeinen Geschäftsbedingungen der beklagten Partei ein- verstanden zu sein, las sie aber nicht im Detail.

In den zwischen den Parteien vereinbarten Allgemei- nen Geschäftsbedingungen der beklagten Partei findet sich ua folgende Bestimmung:

„Der Spieler muss während des Registrierungsvorgan- ges seine korrekten Daten eingeben. Dies beinhaltet Name,Vorname, Adresse, Geburtsdatum und -ort, Telefonnum- mer und E- Mail-Adresse. Der Spieler versichert, diese

Informationen umgehend zu aktualisieren, sollte es zu Veränderungen seiner persönlichen Daten kommen. Jede natürliche Person kann nur ein Spielerkonto eröffnen und nur sein eigenes, aktives Konto nutzen. Für den Fall, dass ein Spieler mehr als ein Konto eröffnet, werden ggf. getätigte Einsätze und Gewinne auf diesen Konten für ungültig erklärt, die jeweiligen Konten geschlossen und eventuell vorhandenes Guthaben bis zur Höhe der Einzah- lung zurückerstattet.“

Der Kläger ist gelernter nnnnnnnnnnnnnnnnnnnnn und nnnnnnnnnn tätig. Er zahlte nach der Registrierung bis etwa Jänner 2020 insgesamt einen Betrag in der Höhe von EUR 18.200,– für das Aufladen des „Spielguthabens“ auf der OnlinePlattform der beklagten Partei ein, wobei dies teilweise in Form von Überweisungen von seinem Konto bei einem österreichischen Bankinstitut erfolgte. Der Kläger nahm über dieses Spielerkonto bis etwa Jänner 2020 an von der beklagten Partei über ihre Plattform angebotenen Glücksspiele – Slotspiele (etwa „Book of Ra“, „Royal Seven“ und „Cruid Mania“) teil und erlitt einen Gesamt- verlust in der Höhe von EUR 18.200,–.

Etwa  im  Jänner  2020  veranlasste  er  eine  sog.

„Selbstsperre“ seines Spielerkontos, was dazu führte, dass es dem Kläger nicht mehr möglich war, sich in dieses einzuloggen.

Im März 2020 registrierte sich der Kläger neuerlich auf  Webseite  der  klagenden  Partei  mit  der  Domain

„www.platincasino.com“. Bei der Registrierung dieses (zweiten) Spielerkontos gab der Kläger nicht seinen rich- tigen Klarnamen und seine Wohnanschrift bekannt, sondern den Namen seiner Schwester „nnnnnnnnnnnn“. Bei der Registrierung  erklärte  der  Kläger,  die  Allgemeinen

Geschäftsbedingungen der beklagten Partei zu akzeptieren, las sie jedoch abermals nicht (Aussage des Klägers, ON 16, S 6). Auch diese Allgemeinen Geschäftsbedingungen der beklagten Partei enthielten folgende Bestimmung:

„Der Spieler muss während des Registrierungsvorgan- ges seine korrekten Daten eingeben. Dies beinhaltet Name, Vorname, Adresse, Geburtsdatum und -ort, Telefonnummer und E- Mail-Adresse. Der Spieler versichert, diese Infor- mationen umgehend zu aktualisieren, sollte es zu Verände- rungen seiner persönlichen Daten kommen. Jede natürliche Person kann nur ein Spielerkonto eröffnen und nur sein eigenes, aktives Konto nutzen. Für den Fall, dass ein Spieler mehr als ein Konto eröffnet, werden ggf. getä- tigte Einsätze und Gewinne auf diesen Konten für ungültig erklärt, die jeweiligen Konten geschlossen und eventuell vorhandenes Guthaben bis zur Höhe der Einzahlung zurück- erstattet.“

Der Kläger zahlte nach der Registrierung bis etwa Dezember 2020 insgesamt einen Betrag in der Höhe von EUR 64.580,– für das Aufladen des „Spielguthabens“ auf der OnlinePlattform der beklagten Partei ein, wobei dies wiederum teilweise in Form von Überweisungen von seinem Konto bei einem österreichischen Bankinstitut erfolgte. Der Kläger nahm bis etwa Dezember 2020 auch über dieses zweite Spielerkonto an von der beklagten Partei über ihre Plattform angebotenen Slotspiele (etwa „Book of Ra“,

„Royal Seven“ und „Cruid Mania“) teil und erlitt dabei einen Gesamtverlust in der Höhe von EUR 64.580,–.

Die Einzahlungen finanzierte der Kläger einerseits durch seine Ersparnisse, andererseits durch Gewinnaus- schüttungen seines Unternehmens.

Der Kläger forderte mit dem von seinem Rechtsvertre-

ter an die beklagte Partei gerichteten Brief vom 23.12.2020 zur Zahlung des Betrags von EUR 82.780,– sowie EUR 2.400,– an Anwaltskosten bis spätestens 15.1.2021 (einlangend) auf.

Der Kläger begehrte die Rückzahlung seines im Glücksspiel der Beklagten erlittenen Spielverlustes von insgesamt EUR 82.780 sA im Zeitraum Dezember 2019 bis Dezember 2020. Die Beklagte biete illegales Glücksspiel an, weil sie über keine Konzession gemäß § 14 Abs 1 GSpG verfüge. Ihr Angebot verstoße daher gegen das österrei- chische Glücksspielmonopol, weshalb der Glücksspielver- trag mit dem Kläger unerlaubt und somit unwirksam sei; der Eingriff in das Glücksspielmonopol bewirke auch eine Schutzgesetzverletzung. Das in Österreich geltende Glücksspielmonopol sei weder verfassungs- noch unions- rechtswidrig.

Die Beklagte bestritt das Klagebegehren und bean- tragte dessen Abweisung. Sie berief sich auf eine ihr in Malta erteilte Konzession, auf deren Grundlage sie im Rahmen der Dienstleistungsfreiheit nach Art 56 AEUV zur Anbietung von Glücksspielen in Österreich berechtigt sei. Das in Österreich geltende Glücksspielmonopol verstoße daher gegen unmittelbar anwendbares Unionsrecht und ent- spreche nicht den vom EuGH aufgestellten Kriterien, ins- besondere mangle es an der vertikalen und horizontalen Kohärenz. Die vom Kläger vorgenommene Registrierung auf zwei Benutzerkonten sei nach den AGB verboten; für diesen Fall sei vereinbart worden, dass getätigte Einzahlungen auf diese Konten für „ungültig“ erklärt werden könnten.

Mit dem angefochtenen Urteil gab das Erstgericht dem Klagebegehren statt. Ausgehend vom eingangs wiedergegebe- nen Sachverhalt vertrat es die Rechtsansicht, die Rechts-

wahl in den AGB sei irrelevant, weil gemäß Art 6 Abs 1 lit b Rom I-VO bei Verbraucherverträgen das Recht jenes Staates zur Anwendung gelange, in dem der Verbraucher seinen gewöhnlichen Aufenthalt habe, hier somit österrei- chisches Recht.

Der Europäische Gerichtshof habe erst jüngst die Kriterien für eine allfällige Unionsrechtswidrigkeit des österreichischen Glücksspielrechts (wieder) festgelegt; damit in Übereinstimmung seien alle österreichischen Höchstgerichte zum Ergebnis gelangt, dass das österrei- chische System der Glücksspielkonzessionen nicht gegen Unionsrecht verstoße. Gemäß § 3 GSpG sei das Recht zur Durchführung von Glücksspielen dem Bund vorbehalten (Glücksspielmonopol). Die Beklagte verfüge über keine Konzession im Sinne des § 14 GSpG, weshalb ein verbotenes Spiel im Sinne des § 1174 Abs 2 ABGB vorliege, welches nach § 879 ABGB ungültig sei. Da die Glücksspielverträge somit nichtig seien, wirke sich der Verstoß des Klägers gegen die AGB durch die Eröffnung mehrere Konten nicht weiter aus. Der Kläger habe daher einen bereicherungs- und schadenersatzrechtlichen Rückforderungsanspruch.

Gegen dieses Urteil richtet sich die Berufung der Beklagten wegen Mangelhaftigkeit des Verfahrens, unrichtiger Tatsachenfeststellung aufgrund unrichtiger Beweiswürdigung und unrichtiger rechtlicher Beurteilung mit dem Antrag, es im Sinne einer Klagsabweisung abzu- ändern. Hilfsweise stellt sie einen Aufhebungsantrag.

Der Kläger beantragt, der Berufung nicht Folge zu geben.

Die Berufung ist nicht berechtigt.

Die Beklagte bekämpft die in Fettdruck wiedergegebe- nen Feststellungen und begehrt folgende Ersatzfeststel-

lungen:

„Es kann nicht festgestellt werden, dass der Kläger bei den von der beklagten Partei angebotenen Spielen einen Betrag in der Höhe von insgesamt EUR 82.780,- ver- lor.“

Die bekämpften Feststellungen stehen im Einklang mit allen in der Berufung behandelten Beweisergebnissen, ins- besondere mit den von der Beklagten selbst erteilten Aus- kunft an den Kläger (insb ./G). Dass die weitere Auskunft

./H mit EUR 65.812 einen etwas höheren als den festge- stellten Betrag von EUR 64.580 (betreffend den zweiten Account) nennt, wirkt sich ohnedies nur zum Vorteil der Beklagten aus. Die festgestellten Zeiträume, in denen der Kläger gespielt hat, ergeben sich aus seiner Aussage (Seiten 5 ff der ON 16). Warum es wesentlich sein soll, an welchen konkreten Tagen innerhalb des Spielzeitraums der Kläger welchen konkreten Einsatz erbracht hat, wird nicht vorgebracht und ist auch nicht ersichtlich. Soweit die Beklagte im Übrigen zur Widerlegung der Feststellun- gen auf ihr eigenes Vorbringen verweist, kann dieses ent- sprechende Beweisergebnisse nicht ersetzen. Schließlich ist auch unzutreffend, dass der Kläger den Zeitraum – entgegen dem erstgerichtlichen Auftrag – nicht ausrei- chend konkretisiert habe, wie sich aus seinem mündlich in der Tagsatzung vom 2.11.2021 erstatteten Vorbringen ergibt (Seiten 2 f der ON 16). Die Feststellungen sind somit insgesamt unbedenklich.

Auch im Übrigen erachtet das Berufungsgericht die Rechtsmittelausführungen der Beklagten für nicht stich- hältig, hingegen die damit bekämpften Entscheidungsgründe des angefochtenen Urteils für zutreffend (§ 500a ZPO).

Das Berufungsgericht hat sich jüngst bei vergleich-

baren Sachverhalten inhaltlich mit dem auch hier wieder- holten Berufungsvorbringen der Beklagten befasst (16 R 21/22h; 16 R 22/22f) und dazu etwa zu einer fast worti- denten Berufung (16 R 21/22h) ausgeführt:

„Im Rahmen der Mängelrüge macht die Berufungswerbe- rin zusammenfassend geltend, das angefochtene Urteil ent- halte keinerlei eigene Feststellungen und keinerlei Beweiswürdigung zum Thema Unionsrechtswidrigkeit des österreichischen Glücksspielmonopols. Es fehle an Fest- stellungen zu den Themen Spielerschutz, Steuereinnahmen bzw. Maximierung der Staatseinnahmen, Kriminalitätsbe- kämpfung, tatsächliche Wirkung der Regelungen und exzes- sive Werbung. In diesem Zusammenhang beantragt die Berufungswerberin auch die Einholung eines Vorabentschei- dungsersuchens beim EuGH.

Die Ausführungen der Mängelrüge sind der Rechtsrüge zuzuordnen, weil die Berufung insoweit sekundäre Fest- stellungsmängel geltend macht.

Die Anregung der Beklagten auf Stellung eines Vorab- entscheidungsersuchens war nicht aufzugreifen, weil die relevanten Prüfungskriterien vom EuGH bereits ausreichend festgelegt wurden und zu den Voraussetzungen der unions- rechtlichen Zulässigkeit eines Glücksspielmonopols sowie der dadurch bewirkten Beschränkung der Dienstleistungs- freiheit bereits umfangreiche Rechtsprechung sowohl des EuGH als auch der Höchstgerichte in Österreich vorliegt (vgl etwa 4 Ob 125/18p, ebenso VwGH Ro 2020/17/0008, jüngst 1 Ob 229/20p, 3 Ob 72/21s, 9 Ob 20/21p). Der Oberste Gerichtshof nahm in mittlerweile zahlreichen, auch erst jüngst ergangenen, Entscheidungen dahin Stel- lung, dass an der bisherigen Rechtsprechung zur EU- Rechtskonformität des Glücksspielmonopols festzuhalten

sei (vgl 1 Ob 229/20p; 3 Ob 72/21s; 9 Ob 20/21p).

Nach ständiger Rechtsprechung hat eine Prozesspartei keinen verfahrensrechtlichen Anspruch, die Einholung einer Vorabentscheidung zu beantragen. Der entsprechende Antrag der Beklagten war daher formell zurückzuweisen (RS0058452 [T5 u.a.]).

Im Rahmen der Rechtsrüge macht die Berufungswerberin zunächst geltend, der Rückforderungsanspruch nach § 1174 ABGB sei ausgeschlossen, weil der Kläger wissentlich bei einem Anbieter ohne österreichische Konzession gespielt habe. Jedenfalls habe er sich leichtfertig dem Verboten- sein seines Handelns verschlossen. Diesbezüglich gäbe es in Deutschland bereits unterinstanzliche Entscheidungen. Im Übrigen verstoße der Rückforderungsanspruch des Klä- gers gegen Treu und Glauben. Auch diesbezüglich wird die Einholung eines Vorabentscheidungsersuchens beim EuGH beantragt.

Diesen Ausführungen ist nicht beizupflichten. Dass der Kläger wissentlich bei einem Anbieter ohne österrei- chische Konzession gespielt hätte, wurde im erstinstanz- lichen Verfahren von der Beklagten nicht vorgebracht und liegt damit ein Verstoß gegen das Neuerungsverbot vor.

In der jüngst ergangenen Entscheidung 3 Ob 72/21s verwies der OGH zur Beurteilung, dass die Spieleinsätze aus einem verbotenen Glücksspiel zurückgefordert werden können, auf seine bisherige Rechtsprechung. So führte das Höchstgericht in 7 Ob 225/16p aus, die Durchführung einer Ausspielung ohne Konzession stelle ein verbotenes Glücks- spiel dar. Den Rückforderungsanspruch zu verweigern, würde dem Zweck der Glücksspielverbote widersprechen.

Zum Zweck des von der Beklagten herangezogenen § 52 Abs 5 GSpG führte der Berufungssenat zu 16 R 152/21x aus,

dass der Schutzzweck dieser Norm nicht darauf gerichtet sei, Glücksspielanbieter vor einer Spielteilnahme an von ihnen ermöglichten verbotenen Glücksspielen zu bewahren, sondern ganz offenkundig dem Spielerschutz diene.

Angesichts dieser höchstgerichtlichen Rechtsprechung bedarf es auch in diesem Zusammenhang nicht der Einholung eines Vorabentscheidungsersuchens.

Soweit die Berufung ausführt, ein Schadenersatzan- spruch des Klägers bestehe nicht zu Recht, ist darauf nicht näher einzugehen, weil jedenfalls ein Bereiche- rungsanspruch besteht.

Schließlich führt die Berufung umfänglich aus, das österreichische Glücksspielmonopol sei nicht unionrechts- konform.

Auch diesen Ausführungen kommt keine Berechtigung zu.

In der Rechtssache C-390/12, Pfleger, sprach der Europäische Gerichtshof aus, die Ausgestaltung des öster- reichischen Glücksspielmonopols wäre unionsrechtswidrig, wenn diese Regelungen nicht das Ziel des Spielerschutzes oder der Kriminalitätsbekämpfung verfolgen und nicht tat- sächlich dem Anliegen entsprechen würde, in kohärenter und systematischer Weise die Gelegenheiten zum Spiel zu verringern oder die mit diesen Spielen verbundene Krimi- nalität zu bekämpfen. Nach Ansicht des Europäischen Gerichtshofs müssen diese Voraussetzungen jeweils vom erkennenden Gericht geprüft werden (C-581/14, Naderhirn; C-545/18, DP/Finanzamt Linz).

Nach den Absichten des österreichischen Gesetzgebers dienen die ordnungspolitischen Beschränkungen des Glücks- spielgesetzes dem Jugend- und Spielerschutz und sollen den Gefahren der Spielsucht vorbeugen (ErlRV 657 BlgNRGP, 2). Grundsätzlich ist die Vereinbarkeit von nationalem Recht mit Unionsrecht als Rechtsfrage von Amts wegen zu prüfen. Da aber sowohl der Wortlaut des Gesetzes als auch die erklärte Zielsetzung des Gesetzgebers gegen die Annahme eines Unionsrechtsverstoßes sprechen und nur ausnahmsweise tatsächliche Umstände zu einem anderen Ergebnis führen könnten, hat sich die Prüfung der Verein- barkeit des Glücksspielmonopols mit dem Unionsrecht nach der Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofs am Vorbrin- gen der Parteien zu orientieren, woraus sich die Behaup- tungslast der Beklagten ergibt (RS0129945).

Der Oberste Gerichtshof gelangte in mittlerweile zahlreichen Entscheidungen, denen vergleichbare Sachver- halte zugrunde lagen, nach gesamthafter Würdigung aller tatsächlichen Auswirkungen des von der Beklagten in Frage gestellten Regelungsrahmens zum Ergebnis, dass das öster- reichische System der Glücksspielkonzessionen nicht gegen das Unionsrecht verstößt (4 Ob 213/17h, 4 Ob 124/17i, 4 Ob 125/18p, 3 Ob 57/19g uva). Auch in erst jüngst ergangenen Entscheidungen nahm der Oberste Gerichtshof dahin Stellung, dass an der bisherigen Rechtsprechung zur EU-Rechtskonformität des Glücksspielmonopols festzuhalten sei (1 Ob 229/20p; 3 Ob 72/21s; 9 Ob 20/21p).

So führte der erste Senat in seiner jüngsten Ent- scheidung vom 22.6.2021, 1 Ob 229/20p, zu den von der Berufungswerberin in der Rechtsrüge aufgeworfenen Fragen Folgendes aus:

‚1. Der Bund selbst veranstaltet aufgrund des ihm nach § 3 GSpG zustehenden Monopols kein Glücksspiel, son- dern übertrug das ihm zustehende Recht zur Durchführung solcher Spiele (nach §§ 14 ff GSpG für Lotterien und §§ 21 ff GSpG für Spielbanken) an private Konzessionäre.

Insoweit besteht eine Kombination von Monopol- und Kon- zessionssystem mit einer beschränkten Anzahl an Konzessi- onen. Auch – hier zu beurteilende – elektronische Lotte- rien im Sinn des § 12a GSpG, bei denen die Spielteilnahme über elektronische Medien erfolgt und die Entscheidung über das Spielergebnis zentralseitig herbeigeführt und über elektronische Medien zur Verfügung gestellt wird, sind vom Glücksspielmonopol umfasst.

  1. Nach der Rechtsprechung des Gerichtshofs der Europäischen Union steht es den Mitgliedstaaten frei, die Ziele ihrer Politik auf dem Gebiet des Glücksspiels fest- zulegen und das angestrebte Schutzniveau zu bestimmen (EuGH C-98/14, Berlington Hungary, Rn 56 mwN). Nationale Beschränkungen müssen aber dem Grundsatz der Verhältnis- mäßigkeit entsprechen und dürfen nicht über das hinaus- gehen, was zur Erreichung des angestrebten Ziels erfor- derlich ist (EuGH C-338/04, Massimiliano Placanica, Rn 49; C-46/08, Carmen Media Group, Rn 60; C-316/07, Stoß, Rn 77, jeweils mwN). Die Regelung muss geeignet sein, die Verwirklichung des zulässigen Ziels in kohärenter und systematischer Weise zu erreichen (Rs Berlington Hungary, Rn 64). Ob eine restriktive Regelung – auch hinsichtlich ihrer konkreten Anwendungsmodalitäten – den angestrebten Zielen in kohärenter und systematischer Weise Rechnung trägt und die Beschränkung nicht außer Verhältnis zu die- sen Zielen steht, ist von den nationalen Gerichten anhand einer Gesamtwürdigung sämtlicher Umstände, unter denen die Regelung erlassen und durchgeführt wurde, zu beurtei- len (C-243/01, Gambelli, Rz 76; C-258/08, Ladbrokes, Rz 22; Rs Stoß, Rz 98; Rs Carmen Media Group Rz 65; C- 347/09, Dickinger/Ömer, Rn 56; C-390/12, Pfleger, Rz 47 ff; C-464/15, Admiral, Rz 30 f).

Ein Verbot des Betriebs von Glücksspielen ohne behördliche Erlaubnis kann insbesondere durch das Ziel, Spieler zu schützen und Straftaten im Zusammenhang mit solchen Spielen zu bekämpfen, gerechtfertigt sein (Rs Pfleger Rn 42 mwN). Zugelassene Anbieter müssen attrak- tive Alternativen zu nicht geregelten (illegalen) Tätig- keiten bereitstellen dürfen, um das Ziel, die Spieltätig- keit in kontrollierbare Bahnen zu lenken, verwirklichen zu können. Dies umfasst auch den Einsatz von Werbung sowie von neuen Vertriebstechniken (Rs Dickinger/Ömer Rn 64 mwN). Auch eine Politik der kontrollierten Expansion von Glücksspielen kann damit im Einklang stehen, wenn Spieler dadurch veranlasst werden, von verbotenen Spielen zu erlaubten und geregelten Spielen überzugehen, bei denen davon ausgegangen werden kann, dass sie ‚frei von kriminellen Elementen‘ und darauf ausgelegt sind, die Verbraucher vor übermäßigen Ausgaben und Spielsucht zu schützen (C-212/08, Zeturf, Rn 67; Rs Ladbrokes Rn 25; Rs Dickinger/Ömer Rn 63 f). Die vom Monopolinhaber bzw Kon- zessionär durchgeführte Werbung muss aber maßvoll und auf das begrenzt sein, was erforderlich ist, um die Verbrau- cher zu den kontrollierten Spielnetzwerken zu lenken (Rs Dickinger/Öhmer Rn 67 f mwN).

Der  EuGH  setzte  sich  erst  jüngst  (C-920/19,

18.5.2021, Fluctus/Fluentum) wieder mit dem österreichi- schen Glücksspielmonopol auseinander und bestätigte seine bisherige Rechtsprechung zu den Grenzen der Zulässigkeit wettbewerbsbeschränkender Maßnahmen. Er ging davon aus, dass für die Prüfung der Kohärenz einer expansiven (Werbe-)Politik des Monopolisten auch Umstände wie aggressive Werbemaßnahmen privater Anbieter zugunsten rechtswidriger Aktivitäten oder die Heranziehung neuer

Medien wie des Internets durch private Anbieter zu berücksichtigen seien und eine Inkohärenz von das Glücks- spielangebot beschränkenden Maßnahmen nicht allein des- halb anzunehmen sei, weil die Werbepraktiken des Mono- polisten darauf abzielen, zur aktiven Teilnahme an den Spielen anzuregen, etwa indem das Spiel verharmlost, ihm wegen der Verwendung der Einnahmen für im Allgemeininter- esse liegende Aktivitäten ein positives Image verliehen oder seine Anziehungskraft durch zugkräftige Werbebot- schaften, die bedeutende Gewinne verführerisch in Aus- sicht stellen, erhöht wird (Rn 52 f).

Der erkennende Senat sieht keinen Anlass, das von der Beklagten angeregte Vorabentscheidungsersuchen zu stellen, liegt doch zu den Voraussetzungen der unions- rechtlichen Zulässigkeit eines Gewinnspielmonopols sowie der dadurch bewirkten Beschränkung der Dienstleistungs- freiheit bereits umfangreiche Rechtsprechung des EuGH vor (vgl bereits 4 Ob 268/16i; 4 Ob 50/17g; 4 Ob 46/17v; ebenso VwGH Ro 2020/17/0008).

  1. Der Verfassungsgerichtshof ging in seinem zu B 887/09 ergangenen Erkenntnis – nach Auseinandersetzung mit der Rechtsprechung des EuGH – davon aus, dass das Verbot des Angebots von Online-Glücksspielen durch einen in einem anderen Mitgliedstaat niedergelassenen und dort rechtmäßig Glücksspiele auf elektronischem Weg betreiben- den Anbieter im Hoheitsgebiet eines anderen Mitglieds- taats keinen ‚Widerspruch‘ zur Dienstleistungsfreiheit darstellt, weil allein der Umstand, dass ein Glücksspie- lanbieter in einem anderen Mitgliedstaat über eine Kon- zession verfügt und den dortigen rechtlichen Anforderun- gen und Kontrollen unterliegt, nicht als hinreichende Garantie für den Schutz der nationalen Verbraucher vor

den Gefahren des Betrugs und anderer Straftaten angesehen werden kann. Zu B 1337/11 legte er zudem dar, dass die Ziele der Beschränkung des Angebots von Glücksspielen, nämlich die Verhinderung von Straftaten und der Veran- staltung von Glücksspielen ausschließlich zu gewerblichen Gewinnzwecken sowie der Vermeidung einer übermäßigen Anregung zur Teilnahme an solchen durch unreglementierte Konkurrenz, im öffentlichen Interesse liegen und die gesetzliche Beschränkung der Anzahl an Konzessionen geeignet ist, diese Ziele auf adäquate und sachlich gerechtfertigte Art zu erreichen. In seinem zu E 945/2016 ergangenen Erkenntnis gelangte der Verfassungsgerichtshof nach umfassender Darstellung der Rechtsprechung des EuGH zum Ergebnis, dass die Regulierung des Glücksspiels durch den österreichischen Gesetzgeber auch unter Berücksichti- gung der tatsächlichen Auswirkungen der sich daraus erge- benden Beschränkungen den unionsrechtlichen Vorgaben ent- spricht und keine Unionsrechtswidrigkeit des österreichi- schen Glücksspielmonopols erkennen lässt. An dieser Rechtsansicht hielt der Gerichtshof in weiterer Folge fest  (vgl  E  3282/2016;  E  883/2017;  E  2172/2017; E 2341/2017; E 3302/2017; G 286/2019).

  1. Auch der  Verwaltungsgerichtshof  setzte  sich

bereits mehrfach mit Fragen der Unionsrechtskonformität des GSpG auseinander. Er ging in seinem Erkenntnis zu Ro 2015/17/0022 – nach eingehender Befassung mit den in der Rechtsprechung des EuGH entwickelten Anforderungen an die Zulässigkeit nationaler Beschränkungen des Angebots von Glücksspielen – davon aus, dass der Spielerschutz sowie Maßnahmen zur Vorbeugung von Spielsucht und zur Reduktion von Kriminalität im österreichischen Glücksspielrecht sukzessive  erweitert  wurden,  dass  aber  gerade  im

Onlinebereich eine starke Ausweitung illegalen Glücks- spiels durch zahlreiche Anbieter erfolgt, die ihre Angebote äußerst offensiv bewerben, weshalb auch die teilweise expansionistische Geschäftsund Werbepolitik der Konzessionsinhaber unionsrechtskonform sei. Das mit einem Konzessionssystem verbundene Glücksspielmonopol des Bun- des verfolge – auch unter Berücksichtigung des für Lan- desausspielungen bestehenden Bewilligungssystems für Glücksspielautomaten – die vom Gesetzgeber angestrebten Ziele des Spielerschutzes, der Spielsuchtbekämpfung sowie der Verhinderung von Kriminalität in kohärenter und sys- tematischer Weise und sei daher nicht unionsrechtswidrig. Daran hielt der Verwaltungsgerichtshof auch in nachfol- genden Entscheidungen fest (vgl Ra 2018/17/0048; Ra 2018/17/0203; Ra 2019/17/0054; Ra 2021/17/0031).

  1. Der Oberste Gerichtshof schloss sich in seiner am 22.11.2016 zu 4 Ob 31/16m ergangenen Entscheidung der Rechtsprechung der Gerichtshöfe des öffentlichen Rechts an. Er geht seither in ständiger Judikatur davon aus, dass das im GSpG normierte Monopol- bzw Konzessionssystem bei gesamthafter Würdigung sämtlicher damit verbundener Auswirkungen (insbesondere der Werbemaßnahmen der Konzes- sionäre) auf den Glücksspielmarkt allen vom EuGH aufge- zeigten Vorgaben des Unionsrechts entspricht (vgl etwa 4 Ob 5/16p; 4 Ob 160/16g; 4 Ob 174/16s; 6 Ob 124/16b; 4 Ob 268/16i; 4 Ob 229/17f; 4 Ob 125/18p; 3 Ob 57/19g).
  2. Aufgrund der jüngst vom EuGH (Rs Fluctus/Flu- entum) sowie bereits zuvor von allen drei Höchstgerichten in ständiger Rechtsprechung angenommenen Unionsrechtskon- formität des österreichischen Glücksspielmonopols geht der erkennende Senat davon aus, dass diese Frage abschließend beantwortet ist, woran auch die von der

Revisionswerberin als vermeintliche Belege für die Uni- onsrechtswidrigkeit ins Treffen geführten Umstände nichts zu ändern vermögen.

  • Dass das Berufungsgericht die Frage, ob die Beschränkungen des Angebots von Glücksspielen die damit angestrebten Ziele des Spielerschutzes und der Kriminali- tätsbekämpfung in kohärenter und systematischer Weise verfolgen, abweichend von der Rechtsprechung des EuGH gelöst hätte, zeigt die Revisionswerberin nicht auf. Sie übersieht, dass die Beschränkung von OnlineGlücksspielen bereits ihrem Wesen nach geeignet ist, die Gelegenheiten zum Glücksspiel einzuschränken und damit die genannten, im Allgemeininteresse gelegenen und durch das Unionsrecht anerkannten Ziele zu erreichen. Soweit sie argumentiert, dass anstatt des bestehenden Glücksspielmonopols des Bun- des auch mit Konzessionsvergaben als ‚gelinderem Mittel‘ das Auslangen gefunden werden hätte können, übergeht sie, dass sich das System des GSpG in der Realität – weil der Bund selbst kein Glücksspiel anbietet – wie ein ‚gewöhn- liches‘ Konzessionssystem mit einer beschränkten Anzahl an Konzessionen auswirkt (vgl VfGH E 945/2016; VwGH Ro 2015/17/0022).
  • Auf das vom österreichischen Gesetzgeber ver- folgte Ziel der Kriminalitätsbekämpfung geht die Revision nur am Rande ein, indem auf die Beschaffungskriminalität Bezug genommen und behauptet wird, dass nach einer Stel- lungnahme der Europäischen Kommission aus dem Jahr 2008 nicht ersichtlich gewesen sei, inwieweit im österreichi- schen Glücksspielsektor ‚Probleme der Kriminalität nach- gewiesen wurden‘; es bestünden auch keine Studien zur Beschaffungskriminalität. Damit übergeht die Rechtsmit- telwerberin aber die Rechtsprechung des Verwaltungsge-

richtshofs, wonach die Ziele der Bekämpfung von Spiel- sucht sowie von Kriminalität im Zusammenhang mit Glücks- spielen gerade aufgrund des im GSpG verankerten Monopol- bzw Konzessionssystems erreicht werden (vgl Ro 2015/17/0022; Ra 2018/17/0048). Insoweit besteht kein Widerspruch zur Entscheidung des Verfassungsgerichtshofs (E 945/2016), wonach die Spielsucht in Österreich ein grundsätzlich relevantes Problem darstellt. Auf die Ver- hinderung von Kriminalität gegenüber Spielern – insbeson- dere durch betrügerische Aktivitäten von Anbietern ille- galer Online-Glücksspiele – geht die Revisionswerberin ebensowenig ein, wie auf die nach der Rechtsprechung des EuGH (C-212/11, Jyske Bank Gibraltar, Rn 62) im öffentli- chen Interesse gelegenen Ziele der Verhinderung von Geldwäsche und Terrorismusfinanzierung.

  • Dass der bisherigen höchstgerichtlichen Judika- tur deshalb keine Aussagekraft mehr zukomme, weil sie die aktuelle Werbepraxis der Konzessionsinhaber nicht berück- sichtigt habe, überzeugt schon deshalb nicht, weil die Revisionswerberin nicht konkret aufzeigt, inwieweit sich diese Praxis in jüngster Zeit grundlegend geändert haben soll. Die Rechtsmittelwerberin weist selbst darauf hin, dass der Oberste Gerichtshof in seinem Beschluss vom 30.3.2016 zu 4 Ob 31/16m davon ausging, dass die Werbung der Konzessionäre auch den Zweck verfolgt, Personen zur aktiven Teilnahme am Spiel anzuregen, die bisher nicht ohne weiteres zu spielen bereit waren, dass durch zug- kräftige Werbebotschaften die Anziehungskraft der angebo- tenen Spiele erhöht sowie neue Zielgruppen zum Spielen angeregt werden sollten und dass die Werbung der Konzes- sionäre ‚laufend‘ ausgedehnt wurde. Dennoch erachtete er das im GSpG vorgesehene Monopol- bzw Konzessionssystem – aufgrund der zwischenzeitig ergangenen Rechtsprechung der Gerichtshöfe des öffentlichen Rechts – als unionsrechts- konform. Warum von dieser in ständiger Rechtsprechung vertretenen Ansicht abgegangen werden soll, vermag die Revisionswerberin weder mit ihren Hinweisen auf ‚seit der letzten OGH-Entscheidung‘ (also jener zu 3 Ob 57/19g) erfolgte Werbemaßnahmen der Konzessionäre, noch mit ihrer Kritik an der mehrfach bestätigten Judikatur des Verfas- sungs- und Verwaltungsgerichtshofs darzulegen. Da sich das Berufungsgericht an der übereinstimmenden Judikatur sämtlicher Höchstgerichte orientierte, ist diesem – ent- gegen den Revisionsausführungen – keine ‚gravierende‘ (vom Obersten Gerichtshof zu korrigierende) Fehlbeurtei- lung vorzuwerfen, zumal die Spiele des Klägers auf der Internetplattform der Beklagten teilweise während eines Zeitraums erfolgten, für den die konkrete Werbepraxis der Konzessionäre bereits umfassend beurteilt wurde. Es ist auch wieder auf die jüngst ergangene Entscheidung des EuGH zu C-920/19 (Fluctus/Fluentum) hinzuweisen, in der die ‚aktuellen‘ Werbemaßnahmen der österreichischen Kon- zessionsinhaber als kohärent angesehen wurden.

  • Die Revisionswerberin leitet die Unionsrechts- widrigkeit des österreichischen Glücksspielmonopols auch aus der unterschiedlichen Behandlung von Online-Sportwet- ten und Online-Glücksspielen ab. Während erstere (landes- gesetzlich) weitgehend liberalisiert worden seien, weil für ihr Angebot zahlenmäßige unbeschränkte Konzessionen erlangt werden könnten, unterlägen letztere nach § 12a GSpG dem Glücksspielmonopol des Bundes. Diese Differen- zierung sei sachlich nicht gerechtfertigt, weil von bei- den Angeboten vergleichbare Gefahren ausgingen. Die im österreichische Glücksspielrecht vorgesehenen Beschränkungen seien daher insgesamt inkohärent, was in der Rechtsprechung (vor allem der Gerichtshöfe des öffentli- chen Rechts) bisher unbeachtet geblieben sei.

Der Verwaltungsgerichtshof berücksichtigte jedoch in seinem Erkenntnis zu Ra 2018/17/2048 – im Rahmen der gebotenen Gesamtwürdigung der Kohärenz des österreichi- schen Monopol- bzw Konzessionssystems – auch die unter- schiedlichen Beschränkungen des Angebots von Online- Sportwetten und Online-Glücksspielen, schloss daraus aber nicht auf eine Unionsrechtswidrigkeit des österreichi- schen Glücksspielrechts, zumal nach den landesgesetzli- chen Reglungen auch Sportwetten nicht vollständig libera- lisiert worden seien. Insoweit zeigt die Revisionswerbe- rin schon aus diesem Grund keine erhebliche Rechtsfrage im Sinn des § 502 Abs 1 ZPO auf. Sie geht im Übrigen selbst davon aus, dass die unterschiedliche Regelung von Online-Sportwetten und Online-Glücksspielen einer kohä- renten Beschränkung des Angebots von Glücksspielen nicht per se entgegensteht. Dass nationale Beschränkungen des Angebots von Sportwetten und ‚herkömmlichem‘ Glücksspiel gänzlich ident sein müssten, kann auch der Rechtsprechung des EuGH nicht entnommen werden (vgl Rs Carmen Media Group, Rn 63, wonach der Umstand, dass einzelne Arten von Glücksspielen einem staatlichen Monopol, andere Arten hingegen anderen Regulierungsvorschriften unterliegen, nicht per se dazu führt, dass die gesetzlichen Maßnahmen ihre Rechtfertigung verlieren; ebenso Rs Stoß Rn 96); ebensowenig, dass die Kohärenz jeder einzelnen Differen- zierung im nationalen Glücksspielrecht durch eine empiri- sche Studie untermauert werden müsste (EuGH C-3/17, Spor- ting Odds, Rn 63 f; Rs Pfleger Rn 51; Rs Stoß Rn 72).

  • Wenn die Revisionswerberin die Inkohärenz des

österreichischen Glücksspielrechts – und daher dessen Unionsrechtswidrigkeit – auch daraus ableiten möchte, dass Online-Glücksspiele im Vergleich zu ‚herkömmlichen‘ (also Präsenz-)Glücksspielen restriktiver geregelt seien (weil für erstere nur eine einzige Konzession vergeben wird, für letztere hingegen mehrere Konzessionen), so ist ihr die Rechtsprechung des EuGH entgegenzuhalten, wonach vom Online-Glücksspiel ein größeres Gefahrenpotential ausgeht (EuGH C-42/07, Liga Portuguesa, Rn 70). Mit ihrem Argument, die genannte Entscheidung habe die aktuellen technischen Möglichkeiten des Spielerschutzes im Internet unberücksichtigt gelassen, übergeht sie, dass der EuGH auch noch in einer jüngeren Entscheidung aus dem Jahr 2017 (Rs Sporting Odds, Rn 41) das von Online- Glücksspie- len ausgehende höhere Gefahrenpotential hervorhob. Diese hat sich im vorliegenden Fall auch verwirklicht, kontak- tierte die Beklagte den Kläger doch, nachdem er vom Glücksspiel ‚wegkommen‘ wollte, persönlich, um ihn durch das Angebot verschiedener ‚Vorteile‘ zum weiteren Spielen zu animieren.

  • Der Verwaltungsgerichtshof setzte sich in sei- nem zu Ro 2015/17/0022 ergangenen Erkenntnis auch mit dem Spielerschutz bei Ausspielungen an Video-Lotterie-Ter- minals (‚VLT‘; diese zählen nach § 12a Abs 2 GSpG zu den Online-Lotterien, weil das Spielergebnis bei diesen Spie- lautomaten zentral ermittelt wird) einerseits und Landes- ausspielungen mit Glücksspielautomaten (bei denen das Spielergebnis dezentral – also durch den Spielautomaten selbst – ermittelt wird) andererseits auseinander, beur- teilte diesen Schutz (aufgrund des Verweises in § 12a Abs 3 GSpG auf § 5 Abs 3 bis 6 GSpG) im Wesentlichen als gleichwertig und erachtete das Glücksspielmonopol des

Bundes auch in dieser Hinsicht als unionsrechtskonform. Auch zu Ra 2018/17/0048 ging der Verwaltungsgerichtshof bei der unionsrechtlichen Prüfung der österreichischen Rechtslage davon aus, dass Landesausspielungen mit Glücksspielautomaten einem vergleichbaren ordnungs- und aufsichtsrechtlichen Regime wie die im GSpG geregelten Glücksspiele (also auch Ausspielungen mit VLT) unterlie- gen. Insoweit geht das Argument der Revisionswerberin, beide Arten von Spielautomaten würden – sachlich nicht gerechtfertigt – differenziert geregelt, fehl. Soweit die Revisionswerberin die Inkohärenz der Regelungen zu VLT einerseits und Landesausspielungen mit Glücksspielauto- maten andererseits daraus ableiten möchte, dass für ers- tere nur eine Konzession erteilt wird, wohingegen für letztere bis zu drei Bewilligungen pro Bundesland ertei- len werden können, ist sie neuerlich auf die Judikatur des EuGH hinzuweisen, wonach unterschiedliche Regelungen verschiedener Arten von Glücksspielen einer insgesamt kohärenten Beschränkung deren Angebots nicht per se ent- gegenstehen. Dass die Kohärenz einzelner Differenzierun- gen nicht in jedem Fall durch eine empirische Studie belegt werden muss, wurde ebenfalls bereits dargelegt.‘

Auf diese – vom erkennenden Senat für maßgeblich erachtete – Rechtsansicht ist die Berufungswerberin mit ihrer Rechtsrüge zu verweisen.

Der Umstand, dass von verschiedenen Arten von Glücksspielen einige einem staatlichen Monopol und andere einer Regelung unterliegen, nach der private Veranstalter eine Bewilligung benötigen, kann für sich genommen nicht dazu führen, dass staatliche Maßnahmen ihre Rechtferti- gung verlieren. Derart divergierende Regelungen ändern als solche nichts an der Eignung einer restriktiven Maß-

nahme zur Verwirklichung des mit seiner Errichtung ver- folgten Ziels, Anreize für die Bürger zu übermäßigen Aus- gaben für das Spielen zu vermeiden und die Spielsucht zu bekämpfen (EuGH C-920/19, Fluctus und Fluentum, Rn 30 mwN; EuGH C-390/12, Pfleger, Rn 41 mwN).

Die Beurteilung des Obersten Gerichtshofes, dass das österreichische System der Glücksspielkonzessionen nicht gegen das Unionsrecht verstößt (3 Ob 72/21s, 5 Ob 30/21d,

3 Ob 57/19g, 4 Ob 35/18b ua, jüngst 1 Ob 229/20p, 3 Ob 72/21s, 9 Ob 20/21p), steht im Einklang mit den Erkennt- nissen des Verfassungsgerichtshofes E 945/2016 und des Verwaltungsgerichtshofes Ro 2015/17/0022, Ra 2018/17/0048 und Ra 2020/17/0001. So betonte der VfGH erst am 28.2.2020, er habe (nach wie vor) keine Bedenken, dass die zahlenmäßigen Beschränkungen der Glücksspielkonzessi- onen (insbesondere im Hinblick auf Art 56 ff AEUV) mit dem Unionsrecht vereinbar sind (G 286/2019). Auch der VwGH bekräftigte jüngst seine Position zur Unionsrechts- konformität des Glücksspielmonopols unter Hinweis auf Vorentscheidungen (Ra 2018/17/0203 vom 25.3.2020). Eine uneinheitliche höchstgerichtliche Judikatur liegt daher nicht vor. Ebenso wenig ist eine von der Beklagten behauptete Uneinigkeit in den Erkenntnissen Ro 2015/17/0022 des VwGH (Rn 108) und E 945/2016 des VfGH (Rn 40) betreffend die Relevanz des Problems ‚Beschaf- fungskriminalität bzw Spielsucht‘ erkennbar. Zum einen leiten beide Höchstgerichte aus der erwähnten Problematik – unabhängig von deren Ausmaß – sinngemäß ab, eine Recht- fertigung des Glücksspielmonopols liege insbesondere darin, dass es die Zielsetzung des Spielerschutzes und der Bekämpfung von Spielsucht und Kriminalität im Zusam- menhang mit Glücksspielen gewährleiste. Zum anderen betrifft die (vermeintliche) Divergenz lediglich gewisse Sachverhaltsdetails, welche an den jeweils getroffenen und gleichlautenden rechtlichen Schlussfolgerungen nichts ändern.

Die Argumente der Beklagten führen hier zu keiner von der gefestigten Rechtsprechung abweichenden Beurtei- lung. Die Rechtsprechung des EuGH, wonach die tatsächli- chen Auswirkungen des Monopols von den nationalen Gerich- ten ‚dynamisch‘ zu beurteilen seien (vgl näher EuGH C- 464/15, Admiral, Rn 32 ff), erfordert entgegen der Ansicht der Beklagten keine gleichsam ständige Neubeur- teilung der Auswirkungen in jedem einzelnen Fall und zu jeder einzelnen Werbekampagne. Vielmehr wird damit ledig- lich zum Ausdruck gebracht, dass nicht bloß statisch auf den Zeitpunkt der Erlassung der Regelung abgestellt wer- den darf (vgl EuGH C-464/15, Rn 32: ‚der – notwendiger- weise nachfolgende – Schritt der Durchführung dieser Regelung zu berücksichtigen ist.‘).

Mit den Werbeaktivitäten der Konzessionäre haben sich die Gerichte unter Hinweis auf die Rechtsprechung des EuGH (etwa EuGH 6.9.2018, C-79/17, Gmalieva, Rn 27 ff) bereits umfassend auseinandergesetzt (detailliert etwa VwGH Ra 2018/17/0048, Rn 69 ff). Es ist auch wieder auf die jüngst ergangene Entscheidung des EuGH zu C920/19 (Fluctus/Fluentum) hinzuweisen, in der die ‚aktuellen‘ Werbemaßnahmen der österreichischen Konzessionsinhaber als kohärent angesehen wurden.

Somit ist eine von der Beklagten nur allgemein behauptete ‚Zunahme von Marketingaktivitäten‘ sowie eine nicht näher konkretisierte ‚verstärkte Präsenz in Sozia- len Medien‘ noch kein hinreichender Anlass, die Judikatur des OGH aus der jüngsten Zeit für überholt zu erachten.

Die gerügten sekundären Feststellungsmängel liegen allesamt nicht vor, weil die Beklagte keine Tatsachen vorgebracht hat, die im Lichte der gefestigten Rechtspre- chung zu einer anderen rechtlichen Beurteilung führen hätten können. Auch unter Bedachtnahme auf die im Rahmen der Rechtsrüge vorgetragenen Argumente (vgl Gefahren- potenzial der Spielsucht und Kriminalität, Kontrollmaßna- men, Geschäftspolitik und Werbestrategie der Konzessio- näre) besteht kein Anlass, von der Rechtsprechung zur Unionsrechtskonformität des Glücksspielmonopols abzuge- hen. Alle diese Umstände wurden bereits in den dazu ergangenen höchstgerichtlichen Entscheidungen berücksich- tigt.“

Der Berufungssenat schließt sich dieser bereits mehrfach vom angerufenen Gerichtshof vertretenen Rechtsansicht (vgl OLG Wien 11 R 159/20p; 30 R 222/20t; ähnlich 16 R 110/20v; 16 R 56/21d; 13 R 32/21b; 11 R

154/21d; 15 R 20/21b; 15 R 85/21m; 15 R 136/21m; 16 R

2/22i) an und sieht sich durch die inhaltlich wieder- holenden Berufungsausführungen nicht veranlasst, davon abzugehen, zumal sie auch vom Obersten Gerichtshof jüngst (neuerlich) bestätigt wurde (3 Ob 106/21s).

Insgesamt war der Berufung daher ein Erfolg zu ver- sagen.

Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 41, 50 ZPO.

Die ordentliche Revision ist nicht zulässig, weil eine erhebliche Rechtsfrage iSd § 502 Abs 1 ZPO nicht zur Beurteilung vorlag.

Oberlandesgericht Wien 1011 Wien, Schmerlingplatz 11

Abt. 15, am 10. März 2022

Dr. Monika Jahn

Elektronische Ausfertigung gemäß § 79 GOG